24. November 2022 |
Ich finde meine Geschichte nicht spektakulär

Gleich nach Miks Geburt haben die Ärzte festgestellt, dass die Herztöne nicht so sind, wie sie sein sollten. Die Diagnose: Kombiniertes Aortenklappenvitium – seine Aortenklappe war sowohl verengt als auch undicht. Eine engmaschige Kontrolle alle 3-4 Monate wurde verordnet. Dann mit 3 Jahren, wurde Mik das erste Mal an der Aortenklappe operiert. In einer 4 bis 5-stündigen Operation am offenen Herzen klammerte der Kinderherzchirurg im Wiener AKH Miks Aortenklappe mit 3 Klammern zusammen. Knapp 2 Wochen musste Mik im Krankenhaus bleiben, dann konnte er nach Hause.

Nach der OP verlebte Mik eine ganz normale Kindheit. Er betrieb sehr viel Sport, war sogar ÖSV-Mitglied. Die Narbe störte ihn nicht. Seine Herzkrankheit war nie ein großes Thema, weder bei seinen Freunden noch in der Familie. „Meine Eltern waren noch sehr jung als sie mich bekommen haben und sie haben unbewusst sehr viel richtig gemacht“ ist Mik heute noch dankbar für seine unbeschwerte Kindheit.

Die nächsten 20 Jahre bereitete die Aortenklappe keine Probleme. Der jährliche Kontrolltermin war, egal wie beruflich eingespart sein Vater war, immer ihr Vater-Sohn-Tag, mit McDonalds zum Abschluss. Nervös war Mik schon immer vor jedem Termin, „natürlich hat man immer ein bisschen Angst“, doch war es auch ein besonderer und schöner Tag für ihn.

Als junger Erwachsener wurde Mik dann etwas schleißiger bei seinen Kontrollterminen. Etwa 2-3 Jahre lang ging er nicht hin. Wie er heute weiß, war unbewusst wahrscheinlich auch Angst vor einer schlechten Diagnose schuld. Seit einiger Zeit bekam er schlechter Luft und redete sich ein, dass er Asthma hat.

Ende 2009 ging er dann doch zu einem Kinderkardiologen seines Vertrauens und lag dort mit seinen stolzen 1m90 auf einer Kinderliege. Nach 3 Minuten schaute ihn der Kinderkardiologe ernst an „Das Sie leben, ist schlichtweg ein Wunder“.

Jetzt ging alles sehr schnell. In einem MRT wurden Herzklappe und Aortenbogen genau vermessen, Dafür musste Mik 2 Stunden in die Röhre „Das möchte ich nicht noch einmal erleben, das war schon schlimm, vor allem wegen Platzangst und den lauten Geräuschen.“ Danach war klar, die Herzklappe muss operiert werden.

„Es hat mir niemand gesagt, was heißt denn operieren, dabei war ich jetzt erwachsen. Und ich habe auch wiederum nicht nachgefragt, auch komisch.“

Innerhalb eines Monats hatte er einen OP-Termin auf der Herzchirurgie im AKH Wien bei Prof. Laufer und Dr. Kocher. Am Vortrag der OP ging Mik zu den Voruntersuchungen ins Krankenhaus. Er wurde von Untersuchung zu Untersuchung geschickt, über Befunde, Diagnose oder Therapie hat keiner mit ihm geredet.

„Ich kann mich noch ganz genau erinnern. Um ¾ 12 am Abend ist dann ein Student zu mir gekommen und hat mir so halbwegs erklärt, was da jetzt gemacht wird. Aber das war weit weg von einem Aufklärungsgespräch. Ich möchte da auch keinem einen Vorwurf machen. Das AKH ist eine hervorragende Einrichtung, wenn es ums medizinische geht, aber sie haben auch so viele Patienten, so viel zu tun, dass da einfach der Mensch auf der Strecke bleibt.“

Am Vorabend der OP musste Mik innerhalb von 30 Minuten entscheiden, ob er als Aortenklappenersatz eine Schweineklappe oder eine mechanische Klappe will, mit der Information „die mechanische hält, wenn es gut läuft, ewig, die Schweineklappe muss nach 10 Jahren getauscht werden“.

Der Eingriff mit Ascendensersatz, Ersatz des Aortenbogens, und mechanischer Aortenklappe verlief sehr gut. „Ich bin am nächsten Tag aufgewacht, auf der Intensivstation, noch intubiert, diese wurde herausgenommen und ich wurde sofort auf die normale Station verlegt.“

7 Tage lang wollte Mik mit keinem Menschen, auch nicht mit seiner Familie, reden. In dieser Zeit wurde auch ein Krankenhauspsychologe konsultiert. „Ansonsten hat keiner mit mir geredet, keiner hat mich darauf vorbereitet, was auf mich zukommt. Hätte ich Bescheid gewusst, dass es mir nach der OP psychisch so schlecht geht, hätte ich mich auch darauf eingestellt.“

Nach 10 Tagen wurde Mik entlassen. Zu Hause las er dann seinen Arztbrief „und da stand auf einmal etwas von Marcumar und Blutverdünnung. Mir hat keiner gesagt, dass ich Marcumar nehmen muss, dass ich künstlicher Bluter bin. Ich hatte im Krankenhaus Spritzen bekommen. Ich wurde nicht darüber aufgeklärt, was jetzt meine Aufgaben und Pflichten sind, dass ich selbst messen kann.“ Mik musste sofort wieder zurück. Erst jetzt wurde er aufgeklärt, was die mechanische Herzklappe und Marcumar für sein zukünftiges Leben bedeuten. Vor seiner Entscheidung über den Herzklappentyp wurde vergessen, ihn über dieses wichtige Detail einer mechanischen Herzklappe zu informieren.

Auf einen Reha-Aufenthalt nach dem Krankenhaus verzichtete Mik. Er wollte als junger Mann von 28 nicht zur Therapie mit lauter älteren Menschen. Zudem hatte er das Gefühl, dass er keine Reha braucht. „Nach 3 Wochen war die OP für mich gut erledigt.“ Schmerzen hatte er keine. Er stieg gleich wieder voll mit 50 Wochenstunden in seinen Job ein, dem ersten nach seinem Studium.

Heute ist Mik verheiratet und hat 2 gesunde Kinder. Seine Herzerkrankung ist kaum ein Thema, auch nicht für seine Kinder. Anfangs schlief seine Frau mit Ohropax neben ihm, weil sie das Klicken der mechanischen Klappe gestört hat. Mik selbst nimmt das ständig präsente Geräusch erst seit etwa 3 Jahren deutlicher wahr.

Mik geht es gesundheitlich sehr gut. Er spielt regelmäßig Tennis und fährt Ski. „Ich merke nicht, dass ich länger blute, wenn ich mich in den Finger schneide. Ich habe trotz Marcumar keine Angst vor Verletzungen.“

Die jährlichen Kontrolltermine im AKH vor Corona zelebriert er regelrecht. Meist setzte er sich 2-3 Stunden hin und redet mit anderen Patienten. „Das ist sehr bereichernd“

Manchmal gibt es Tage, da fragt sich Mik, warum ich? Doch wesentlich häufiger sind die Phasen, in denen er gar nicht an seine Krankheit denkt oder dankbar ist, dass es ihm so gut geht.

„Mein Kardiologe sagt, Sie sind gesund. Ich selbst sehe mich nicht als gesund an, aber auch nicht als krank. Ich habe viel mehr meine spezielle Geschichte, zu der ich stehe und die mich auch weiterhin, ein Leben lang begleiten wird. Wichtig ist, seine persönliche Aufgabe anzunehmen und richtig einzuordnen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Ich bin froh, demütig und dankbar, dass es heute ist, wie es ist.“

Ziel unseres Vereins ist, mehr Bewusstsein für Herzklappenerkrankungen in Österreich zu schaffen und somit langfristig die frühzeitige Erkennung und erfolgreiche Behandlung zu fördern.

Wir möchten informieren, Betroffene unterstützen, Menschen zusammenbringen, Wissen zur Krankheit vermitteln und somit mithelfen, unnötige Herzklappen-Tode zu vermeiden.

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